Vor-Ort-Messtechniken – Trends und Anwendungsprobleme

Dr. Johannes Flachowsky


Gast im Helmholtzzentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig-Halle GmbH
Department MET
Permoserstraße 18, 04349 Leipzig
Tel.: 0341-235-1454; E-Mail: johannes.flachowsky at ufz.de

Vor-Ort-Messtechniken – Trends und Anwendungsprobleme
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Miniaturisierung von Messtechnik, neue Möglichkeiten der Datenerfassung und Übertragung und ihre Adaptierbarkeit für altlastrelevante Fragestellungen haben die Anwendungsvoraussetzungen für die Anwendung von Methoden der Vor-Ort-Analytik verbessert.


Trotz dieser umfangreicher gerätetechnischer Weiterentwicklungen und der Verfügbarkeit entsprechenden Instrumentariums, welches eine Kostenersparnis ermöglicht und außerdem eine Verbesserung der Standortinformationen liefern kann, finden die Methoden der Vor-Ort-Messtechnik nur zögerlich Eingang in der ingenieurtechnischen Praxis. Ein wesentlicher Grund ist die fehlende Akzeptanz bei Anwendern und Genehmigungsbehörden, der Mangel an geeigneten Informationen über Anwendungspraxis und vorhandene, geeignete Geräte sowie die fehlenden behördlich anerkannten Validierungen und Zertifizierungen solcher Vor-Ort-Messtechniken.

 

Es existieren (in Deutschland) keine zugelassenen Verfahren und Normen der Vor-Ort-Analytik, sieht man von der Bestimmung der Feldparameter für den Grundwasserbereich ab. Die BBodSchV gestattet im Anhang 1, Pkt. 2.1 „Probennahmeplanung für Bodenuntersuchungen – Festlegung der Probennahmestellen und Beprobungstiefen“ die Anwendung von Vor-Ort-Methoden zur Erstellung der Hypothese eines Rasters (Zielfunktion: Rasteroptimierung) jedoch ohne Zuweisung von Vor-Ort-
Verfahren und Messtechniken.

 

In den USA sind, allerdings im Rahmen anderer Vorgehensstrategien auch aufgrund des größeren Ausmaßes kontaminierter Bereiche vor allem im militärischen Bereich, entsprechend umfangreiche Verifikationsaktivitäten an verfügbarer Messtechnik vorgenommen worden. Eine unmittelbare
Übertragung in die deutsche Umweltpraxis ist schwierig.

 

Vor-Ort-Messverfahren gehören in Deutschland als Hausverfahren in den nicht geregelten Bereich. Damit ist völlig offen, ob eine normungsgerechte Validierung von Vor-Ort-Methoden möglich sein wird.

Vergleich der Wasserprobennahme mit kontaminiertem Peristaltikpumpenzubehör (blaue Kurve) und nach Schlauchwechsel (rote Kurve)
Vergleich der Wasserprobennahme mit kontaminiertem Peristaltikpumpenzubehör (blaue Kurve) und nach Schlauchwechsel (rote Kurve)

Die Aufgaben der Vor-Ort-Analytik oder besser Vor-Ort-Messtechnik bestehen in der schnellen Information über Stoffgehalte als halbquantitative Analytik mit großer Stichprobenzahl zur Qualifizierung der Probennahmestrategie für die Laboranalytik. Das Ziel der Vor-Ort- Messtechnik ist vorrangig die sichere Schadherderkennung und Fahnenausbreitung und nicht die Erzeugung von Konkurrenzdaten zur Laboranalytik, zumal auch die Laboranalytik durch Konventionen (bspw. Probenaufbereitungsprozeduren oder Auswahl bestimmter stofflicher Komponenten einer Stoffgruppe – 16 EPA-PAH’s) festgelegt ist und Abweichungen von diesen Konventionen zu anderen Aussagen führen, wobei insbesondere die Probenahme gravierende Ergebnisfehler verursacht wie in der oberen Abbildung am Beispiel einer Grundwasserbeprobung mit kontaminiertem Schlauchmaterial dargestellt ist.

Die Forderung potentieller Investoren und Nutzer nach garantierter Altlastenfreiheit und damit kompletter Risikoentlastung steht im Allgemeinen im Widerspruch zur gängigen Praxis der Altstandorterkundung. Da Kontaminationen häufig sehr kleinräumig verteilt sind, führen die klassischen Erkundungsverfahren mit den üblichen großen Rasterabständen immer wieder zum Nichterkennen von Kontaminationsherden, die dann erst bei nachfolgenden Aufschlussarbeiten freigelegt werden. Die gegenwärtig vorgeschriebenen Verfahren einer hochqualifizierten Laboranalytik sind wegen der geringen Stichprobenzahl und den verursachten Kosten nicht geeignet, die erforderlichen Standortinformationen bereitzustellen. Wegen der Heterogenität des Messobjektes sind sie darüber hinaus neben den Messunsicherheiten der analytischen Methode mit wesentlich größeren und nicht oder schlecht kontrollfähigen Messunsicherheiten durch Probennahme und –aufbereitung behaftet.

 

Schwerpunkt der Altlastenerkundung, insbesondere unter dem Aspekt des Flächenrecyclings von Altstandorten in urbanen Bereichen ist insbesondere die Suche nach organischen Kontaminanten und insbesondere die Suche nach halogenierten Kohlenwasserstoffen und Monoaromaten.

Miniaturisierungen von Messsystemen verknüpft mit kompakter Rechentechnik und entwickelt für andere Anwendungsfelder, erlauben ihre Anwendung auch im Altlastenbereich. Dazu gehören Gas- Sensoriken wie PID, FID, WLD, IR-Sensoren, elektrochemische Sensoren und deren Kopplungen, Prozessgaschromatographen und GC/MS-Kopplungen.

 

Inwiefern sich neue Entwicklungen miniaturisierter FT-IR- und RAMAN-Techniken im Altlastenbereich einsetzen lassen, bedarf der experimentellen Prüfung. Anwendungen zur Sprengstoffdetektion sind bekannt. Das „open path“ FTIR-System der Fa. Bruker (RAPID) wird seitens der Feuerwehr bereits zur Erkundung von Schadstoffausbreitungen bei Chemikalienbränden genutzt.

 

Deutliche gerätetechnische Fortschritte hat es bei der handgehaltenen energiedispersiven Röntgenfluoreszenzanalyse gegeben. Über die Substitution der Radionuklidquellenanregung durch miniaturisierte Röntgenröhren konnte das Leistungsvermögen (Auflösung, Nachweisgrenzen) erheblich verbessert werden. So ist es ohne weiteres möglich, bis in die Konzentrationsbereiche < 100 mg/kg Boden von K aufwärts die wichtigsten Schwermetalle direkt im Bodenaufschluss zu bestimmen.

 

Der Einsatz von mobiler Massenspektrometrie ist ein effektives Instrument einer schnellen Schadherdeingrenzung insbesondere bei komplexen Schadstoffspektren. Die Kombination von Vor- Ort-Methoden mit Labormethoden erlaubt die Probenahme repräsentativer Proben und verbessert so die Qualität von Datenlagen. Insbesondere beim Flächenrecycling in urbanen Bereichen sind wegen möglicher militärischer und Rüstungsaltasten schon aus Gründen des Arbeitsschutzes neue Vorgehensweisen der Erkundung erforderlich.

 

Gegenwärtig sind kommerziell drei Systeme verfügbar. Dies sind das HAPSITE von INFICON, das CT-1128 von Constellation Technology (Vertrieb durch Axel Semrau GmbH) und das E2M, sowie dessen militärische Variante MM2 von Bruker Daltonik. Alle drei Systeme sind Quadrupolgeräte und arbeiten mit Elektronenstoßionisation (70 eV). Das Besondere am E2M/MM2 der Fa. BRUKER ist die Nutzung über Aktivkohle gereinigter Luft als Trägergas. Damit ist auch wegen der langen Lebenszeit E2M von Bruker Daltonik mit aufgesetztem GC messbereit im PKW der verwendeten Getterpumpe ein ununterbrochener Standby-Betrieb möglich mit sofortiger Einsatzmöglichkeit des Gerätesystems im Havariefall. Die Gerätesysteme sind modular strukturiert, recht kompakt aufgebaut und verfügen über die typischen Prozeduren klassischer GC/MSKopplungen. In der nachfolgenden Abbildung ist die simple Integration in einem PKW dargestellt.

 

Der Einsatz solcher Messtechniken gestattet die schnelle Klärung analytischer Fragstellungen Vor-Ort >unter der Voraussetzung der schnellen Bereitstellung des entsprechenden Probenmaterials. Damit ist eine kleinräumige Erkundung vornehmlich eine Frage schneller Aufschlussverfahren und damit meist der zeit- und kostenbestimmende Faktor von Vor-Ort-Erkundungen. Mitunter reicht bereits das erzeugte Muster der Totalionenstrom-Chromatogramme ohne weitere Quantifizierungen aus, um Informationen über die Veränderungen des Schadstoffprofils zu erhalten, bzw. neue Bohransatzpunkte festzulegen. Mobile GC/MS-Systeme sind ausgezeichnete analytische Instrumente, mit denen im Vergleich mit der Laboranalytik ebenbürtige Messergebnisse erzeugt werden können, die sofort zur Verfügung stehen.

E2M von Bruker Daltonik mit aufgesetztem GC messbereit im PKW
E2M von Bruker Daltonik mit aufgesetztem GC messbereit im PKW

Konzeption und Auswahl der Vor-Ort-Analytik im Rahmen der Altlastenuntersuchung sind abhängig von der analytischen Fragestellung “was soll, wie schnell, in welchem Medium/Kompartiment, in welchem Konzentrationsbereich bestimmt werden“? Als Auswahlkriterien für die einzusetzende Messtechnik gelten die analytische Fragestellung wie Schadstoffspektrum, Qualität des Analysenverfahrens, analytische Qualitätssicherung, Dynamikbereich, Selektivität, Datenmanagement und Interpretation, die Anforderungen an die Probenvorbereitung, die Messdauer, Handhabbarkeit (handgehalten, tragbar, transportierbar, leicht bedienbar), die Kosten (Anschaffung, Betrieb) und Anforderungen an das Personal.

 

Über Messgeräteentwicklungen und über Anwendungsprobleme und –beispiele wird berichtet.