Kampfstoffbeseitigung im internationalen Rahmen – die OPCW

T. Arthen-Engeland


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Kampfstoffbeseitigung im internationalen Rahmen – die OPCW
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Nach dem erstenmaligen Einsatz chemischer Waffen zu Beginn des letzten Jahrhunderts, der Verabschiedung des Genfer Protokolls von 1925 zum Verbot von giftigen (…) Gasen und bakteriologischen Mitteln im Krieg, sowie des Londoner Übereinkommens zum Verbot biologischer Waffen aus 1972, wurde das internationale Chemiewaffenübereinkommen nach über zwanzigjährigen Verhandlungen in der Genfer Abrüstungskonferenz schließlich von der UN-Generalversammlung übernommen und am 13. Januar 1993 in Paris zur Unterschrift ausgelegt. Innerhalb eines Monats wurde die Konvention von mehr als 130 Staaten unterzeichnet.


Aus den Fehlern der vorangegangenen Übereinkommen hatte man gelernt und das Inkrafttreten des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ, engl. Chemical Weapons Convention CWC) war bereits im Text des Übereinkommens klar geregelt: 180 Tage nachdem mehr als 65 Staaten die Ratifizierungsurkunden hinterlegt hatten, trat das internationale Übereinkommen zum Verbot der Entwicklung, Produktion, Lagerung und des Einsatzes Chemischer Waffen am 29. April 1997 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt war mit der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen (OVCW) in Den Haag bereits eine funktionsbereite Kontrollbehörde für das CWÜ vorbereitet und aufgebaut worden.


Nach über 10 Jahren sind kann das Chemiewaffenübereinkommen als das erfolgreichste internationale Abrüstungsübereinkommen bezeichnet werden. Dazu hat eine Reihe klarer Regelungen im Übereinkommen beigetragen:

 

  • Begriffsdefinitionen von chemischen Waffen und verwandter Stoffe, alten chemischen Waffen (vor 1925 bzw. vor 1946 aber in schlechtem Zustand) und zurückgelassenen chemischen Waffen
  • Regelungen zur Deklaration von Lager- und Produktionsanlagen chemischer Waffen und zu ihrer Vernichtung
  • internationale Überwachungsorganisation (OVCW)
  • Überprüfung der Deklaration und Vernichtung chemischer Waffen (Verifikation durch Inspektion), unter anderem auch sogenannte „Verdachtsinspektionen“
  • Hilfeleistung und internationale Kooperation


Die chemischen Waffen sind im ersten Anhang des CWÜ in Listen aufgeführt. In der Liste 1 werden alle Derivate der klassischen Kampfstoffe erfasst:

 

  • O-Alkyl-alkylphosphonofluoride, z.B. Sarin und Soman
  • O-Alkyl-N,N-dialkylphosphoramidocyanide, z.B. Tabun
  • O-Alkyl-S-dialkyl-aminoalkyl-phosphonothiolate, z.B. VX


weiter die Schwefelloste, wie Senfgas, Sesqui-Yperit, Sickstoff-Loste, die Lewisite, sowie die beiden Toxine Saxitoxin und Ricin die sowohl vom Chemiewaffenübereinkommen als auch von Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen erfasst werden. Die Liste 1 enthält zudem auch spezifische Ausgangsstoffe, die für die Herstellung der klassischen chemischen Kampfstoffe benötigt werden, darüber hinaus aber keine Bedeutung besitzen. Für die Liste 1 Chemikalien besteht eine strenge Produktionsbeschränkung.


In der Liste 2 werden andere toxische Chemikalien aufgeführt, sowie weitere Ausgangsstoffe für die Produktion chemischer Waffen. In der Liste 3 sind die mehr oder weniger handelsüblichen Grundstoffe enthalten, die aber auch bei der Produktion von chemischen Waffen eine Schlüsselrolle spielen (sogenannte „dual-use“ Stoffe).


Wesentlich zum Erfolg des CWÜ haben die Möglichkeiten zur systematischen Verifikation durch Vor- Ort Inspektion der chemischen Waffen und der gelisteten Chemikalien geführt. Routine-Inspektionen sind vorgesehen bei:

 

  • Vernichtungsstätten chemischer Waffen
  • Lagerstätten chemischer Waffen
  • Alte und verlassene chemische Waffen
  • Produktionsstätten chemischer Waffen und deren Delaborierung
  • Produktionsstätten in der chemischen Industrie

 

Diese Vor-Ort Inspektionen der OVCW werden sowohl bei militärischen Einrichtungen als auch in der chemischen Industrie durchgeführt. Außerdem sieht das Übereinkommen Verdachtsinspektionen vor, das sind Vor-Ort Inspektionen, die bei einem begründeten Verdacht auf Verstoß gegen das Übereinkommen und auf Beschluss der OVCW durchgeführt werden dürfen.


Bis zum Februar 2009 sind dem Chemiewaffenübereinkommen 186 Staaten beigetreten (von 192 Staaten der UN). Damit erfüllt das Übereinkommen nicht ganz seinen universellen Anspruch, aber in der Vernichtung chemischer Waffen ist es überaus erfolgreich:

 

  • 43 % des weltweiten Kampfstoffbestandes von 71.316 m3 wurden bislang zerstört
  • 3,8 Mio. mit Chemikalien befüllte Projektile zerstört
  • 2007 hat der erste Staat seinen gesamten Bestand an Liste 1 und Liste 2 Chemikalien vernichtet (von 6 Staaten mit Beständen)
  • Bis Ende Januar 2009 hat Russland hat 30% und die Vereinigten Staaten haben 58% ihres Bestandes an Liste 1 Chemikalien zerstört. Russland beabsichtigt bis Ende 2009 45 % seines Liste 1 Bestandes zu zerstören.
  • Von weltweit 65 gemeldeten Produktionsstätten chemischer Waffen wurden bislang 61 Produktionsstätten zerstört oder in kontrollierte zivile Anlagen konvertiert.
  • 9 Staaten haben erklärt, dass sie in Besitz sogen. alter und verlassener chemischer Waffen sind, deren technisch anspruchsvolle Vernichtung weiter betrieben wird
  • 3622 Inspektionen wurden auf Chemiewaffenlagerstätten durchgeführt
  • 5048 Industrieanlagen werden überwacht, davon 1103 durch Vor-Ort Inspektionen.

 

Deutschland hat wesentlich zum Gelingen des Chemiewaffenübereinkommens beigetragen und ist einer der drei Staaten, die mit über 11% den größten Anteil zur Finanzierung des CWÜ tragen. Seit Inkrafttreten des CWÜ besitzt Deutschland keine chemischen Waffen im Sinne des Übereinkommens, allerdings besaß Deutschland alte chemische Waffen, das sind chemische Waffen, die vor 1925 bzw. vor 1946 hergestellt wurden und sich in einem waffenuntauglichen Zustand befinden. In Fachkreisen wird berichtet, dass Deutschland alle bislang gefundenen alten chemischen Waffen zerstört hat. Allerdings werden auch heute noch in Deutschland immer wieder alte chemische Waffen gefunden und fortlaufend in der Kampfmittelbeseitigungsanlage der GEKA in Munster vernichtet.


Literatur:
Bulletin Bundesregierung Nr. 44, 1993, S. 417; NChTL Nr. 41, 1993, S. 291; www.opcw.org